Wenn Mini-Influencer wie „Alles Ava“, „Mileys Welt“ oder „Mavie Noelle“ Produkte in die Kamera halten, spricht man von einer geschäftlichen Kooperation. In den meisten Fällen werden solche Kooperationen nicht direkt zwischen den Content-Kreatoren, also den Kindern und ihren Eltern, und den Produktherstellern abgeschlossen. Marken ziehen für die Vermittlung zwischen ihnen und den Influencern sowie für die Planung, Gestaltung und Durchführung von Kampagnen üblicherweise Medienagenturen hinzu. Neben der Rolle eines Vermittlers nehmen Agenturen erheblichen Einfluss auf die Kreativität und Effizienz einer Kampagne. Peter Figge, Vorstandsvorsitzender bei der Medienagentur Jung von Matt, bezeichnet Medienagenturen als „kreative Leuchttürme“, welche die Aufgabe erfüllen, Marken klar zu positionieren.
Aber wie sieht es mit der Verantwortung von Agenturen aus, wenn ein Kind, also ein Mini-Influencer, als Botschafter der Kampagne eingesetzt wird? Müssen auch Agenturen in diesen Fällen eine solide Positionierung haben?
Die Berliner Marketingagentur WunderStudios ist eine der wenigen in Deutschland, die sich ausschließlich auf den Bereich „Kids and Family“ konzentriert. WunderStudios äußert Kunden gegenüber das Versprechen persönlicher Betreuung und „verantwortungsbewussten Influencer Marketings“. Dass es in Deutschland bisher nicht viele Agenturen mit Fokus auf Mini-Influencer gibt, hat unter anderem mit der vagen Gesetzeslage zu tun. Um mehr Klarheit und Orientierung bezüglich der Themen Werbung in Kindervideos und Schutz der Privatsphäre für junge Content-Creator zu schaffen, entwickelte WunderStudios den White Panda, einen sogenannten “Verhaltenskodex“. Er fasst alle relevanten Gesetzesregelungen in einem Dokument zusammen und soll als Wegweiser für das verantwortungsvolle Handeln gegenüber Zielgruppen dienen. Unter anderem gibt der White Panda Hilfestellung zu Themen wie kindergerechte Inhalte in Videos, dem Schutz der Privatsphäre sowie Informationen zu Kennzeichnungspflichten bei Videos mit werblichen Inhalten.
Den Kunden nicht ins offene Messer laufen lassen
Auch andere Medienagenturen orientieren sich bei der Arbeit mit Mini-Influencern an White Panda, wie beispielsweise CROSSKIDS, eine Tochtergesellschaft der Düsseldorfer Medienagentur CROSSMEDIA. CROSSKIDS arbeitet vorwiegend mit „Mum-Influencern“ zusammen, also mit weiblichen Influencern, deren Inhalte die Mutterschaft und ihre Kinder thematisieren. Bei der Auswahl der Mum-Influencer geht für die Agentur Qualität vor Quantität. Ausführliche Background-Checks sollen bei der Auswahl der Mütter helfen. Kooperationen mit Mini-Influencern setzt die Agentur nur um, wenn der Kunde es ausdrücklich wünscht: „Sollte der Kunde sich die Zusammenarbeit mit Mini-Influencern wünschen, buchen wir sie über WunderStudios oder Studio71 “, so Bianca Grindel, Gründerin von CROSSKIDS. Ab einem Alter von 13 Jahren lockern sich Gesetze und Regelungen, die die Kinder betreffen, weshalb CROSSKIDS versucht, von der Zusammenarbeit mit Influencern unter dieser Altersgrenze abzusehen. Bianca Gindel und ihr Team sehen sich hier vor allem als Kontrollinstanz. Es soll häufig vorkommen, dass Marken sich Kooperationen mit Mini-Influencern unter 13 Jahren wünschen.
Das hat mit dem steigenden Konkurrenzdruck auf dem Markt zu tun. An der Stelle versucht das Team den Kunden ausführlich zu beraten und auf die Schwierigkeiten hinzuweisen: „Wir möchten unsere Kunden natürlich nicht ins offene Messer laufen lassen“, sagt Grindel. Dafür werden noch weitere Maßnahmen ergriffen: CROSSKIDS überprüft produzierte Inhalte vor der Freigabe auf die inhaltliche Vertretbarkeit sowie auf die Einhaltung der Werberichtlinien, also ob Videos mit werblichem Hintergrund beispielsweise eine Länge von 89 Sekunden nicht überschreiten. CROSSKIDS entscheidet beispielsweise auch über die Art, Menge und Verpackung der Produkte, die den kooperierenden Mini-Influencern zugeschickt werden: „Wir sprechen auch nie das Kind direkt an, wenn wir Pakete verschicken. Die Ansprache richtet sich immer an die Eltern“, erklärt Grindel.
Ob die gesetzlich geregelte Arbeitszeit von maximal 20 Stunden pro Monat von den Kindern nicht überschritten wird, können Agenturen nicht überprüfen. Stattdessen versuchen sie auf andere Wege herauszufinden, ob die Umstände der Content-Produktion kinderfreundlich sind. Marketingverantwortliche bei Super RTL führen beispielsweise vor jedem Vertragsabschluss kurze Gespräche mit den Mini-Influencern, um herauszufinden, ob ihnen das Influencer-Dasein und der Aufwand, welcher dahintersteckt, Spaß macht. Die Problematik hierbei ist, dass Kinder in der Regel zwischen Spaß und Arbeit nicht direkt unterscheiden können. „Das ist auch der gravierende Unterschied zwischen den älteren und jüngeren Mini-Influencern. Jugendliche verstehen, dass dahinter ein finanzieller Anreiz steckt. Die kleinen Kinder hingegen denken sich nur: Toll, ich bekomme Produkte geschenkt! Und können dabei die Konsequenzen nicht abschätzen“, so Grindel.
Eine weitere Schwierigkeit bei der Vermittlung von Mini-Influencern liegt in den Vertragsvereinbarungen, wo mit den Eltern über den „Wert“ des Kindes verhandelt werden muss. Da dieses Thema auch an moralische Fragen eckt, sollen viele Eltern die Situation ausnutzen. Bianca Grindel konnte schon öfter erhebliche Preisunterschiede feststellen: „Eltern setzen die Preise für die Zusammenarbeit mit ihren Kindern sehr hoch an“.
Agenturen müssen sich klar positionieren
Die Kommunikationsagentur earnesto aus Düsseldorf ist sich der Aktualität und Relevanz des Themas bewusst. earnesto koordinierte bisher über fünfhundert Influencer Relations, unter anderem auch mit Mum-Influencern. Nun möchte sich earnesto auch im Kinder- und Familienmarketing klar positionieren und baute dafür ein eigenes Team auf. Anna Falcke-Warren, Kopf des Teams, ist selbst vor Kurzem Mutter geworden und kennt die Sensibilität in der Thematik: „Das Thema ist topaktuell und der Bedarf ist groß. Gleichzeitig haben wir es mit einer sehr komplexen Rechtslage zu tun, weshalb wir unsere neue Subbrand mit viel Bedacht und ohne Zeitdruck aufbauen möchten“.
Eine klare Positionierung ist also gerade im Bereich des Mini-Influencer Marketings unverzichtbar. Agenturen übernehmen nicht nur die Aufgabe der kreativen Kampagnenplanung, sie agieren auch als Beratungs- und Kontrollinstanz: Einerseits nehmen sie Marken den Druck, unter welchem sie aufgrund der wachsenden Konkurrenz und der rasanten Entwicklungen auf dem Social Media Markt stehen, und schützen sie vor ungewollten rechtlichen Konflikten. Andererseits haben Agenturen die verantwortungsvolle Aufgabe, Mini-Influencern in ihrer Privatsphäre, ihren Ansprüchen und ihrem kindlichen Dasein zu schützen.